zu clemens gadenstätters -comic sense-
von johanna hofleitner
mir ist die komik gerade recht gekommen
Zwei Jahre lang arbeitete Clemens Gadenstätter an „Comic Sense“, einem Stück für ein 14-köpfiges Ensemble und einen Pianisten. Jetzt gelangt es im Rahmen des Festivals „Out of control“ in einer Choreografie Liz Kings als Ballett zur Aufführung. Ein Gespräch über Neue Musik und ihre Trabanten anhand eines Beispiels.
Komponist Clemens Gadenstätter: Die Oper, das Musiktheater sind ihm im Grunde „zu hierarchisch“.
Clemens Gadenstätter schreibt hauptsächlich Noten, denn er ist ja Komponist. Darüber hinaus aber schreibt er auch Texte, weil er das, was ihm so einfällt, auch noch in anderer Form zu Papier bringen möchte. Manche stehen daher nicht an, ihn auch als Schriftsteller zu bezeichnen. Er selber sieht sein Schreiben eher als eine Art poetischen Vorgang. Überhaupt ist die Affinität zur Grenzüberschreitung eine Eigenheit des vielseitigen Vielbelesenen, dem Literatur, Kunst, Architektur, Film alle historisch wie zeitgenössisch ebenso wie das Zeitgeschehen sehr am Herzen liegen. Da nimmt es nicht Wunder, wenn es immer wieder Seiten- und Parallelprodukte gibt. Zentrum bleibt selbstverständlich die Musik, rundherum aber entsteht stets im Dialog mit anderen KünstlerInnen allerlei trabantenhaftes Material, das künstlerischen Ansprüchen ebenso gerecht werden will.
Großprojekt der letzten beiden Jahre ist „Comic Sense“, dessen Entstehung sich einem Kompositionsauftrag der Erste Bank verdankt. Wie eine kräftige Pflanze hat es mittlerweile allerlei Ableger produziert. Im November 2003 brachte das Klangforum Wien das wiewohl einstündige, dennoch äußerst kurzweilige Ensemblestück in einer von der Kritik hoch gelobten Doppelaufführung in Berlin und Wien (hier im Rahmen von „Wien Modern“) zur Uraufführung. Jetzt erfährt es im Rahmen des NetZZeit--Festivals „Out of Control“ seine Wiederaufführung samt tänzerischer Interpretation in einer Choreografie von Liz King und dem Tanztheater Wien, erweitert wird es um szenische „Zwickel“ von Sven Hartberger. „Ich bin sehr gespannt auf diese Umsetzung auf der Bühne“, sagt Gadenstätter, der sich als Neuer-Musik-Komponist der Oper und dem Musiktheater vehement widersetzt beide sind ihm als Genre „zu hierarchisch“ und der bislang, nach eigener Aussage, „kein großes Naheverhältnis zum Tanz“ hatte.
Wie kam es dann überhaupt zu dieser Zusammenarbeit, die ihrerseits doch dem Szenischen verpflichtet ist? „Ich halte Bilder im Zusammenhang mit Musik für obsolet. Womit mich Liz King überzeugen konnte, war ihr Ansatz, dass sie das Stück nicht bebildern wollte, sondern meinen gedanklichen Ansatz als Pool und Reibefläche nimmt. Musik ist ja kein symbolisches Bild, sondern eine Struktur. King arbeitet als Choreografin mit Körperstrukturen, so wie ich in meiner Arbeit Klänge strukturiere. Das hat mich interessiert.“
Allerdings: Ein Titel wie „Comic Sense“ legt doch eine Fährte hin zu Inhalten und auch zum Komischen. Sogar die Musik selbst lässt gelegentlich schmunzeln wenn etwa Hunde-, Schiedsrichter-, Polizistenpfeiferl jeweils im Duett um die Wette trillern und ungemütliche Alltagssituationen evozieren oder wenn Florian Müller, der kongeniale Pianist, den lackglänzenden Flügel aufs Übelste malträtiert. Gadenstätter: „Das sind legitime Assoziationen.“ Er schränkt aber ein: „Der Witz, die Komik, um die es mir geht, beruht einzig auf einer Umdeutung, einer Transformation, und hat nichts mit dem Gegröle und Gejohle etwa einer Sit-Com zu tun.
Es geht nicht um den Witz auf Kosten anderer, sondern darum, dass der ,comic sense’ Systeme öffnet eine Technik, deren sich experimentelle Literatur und Musik, experimenteller Film seit jeher bedient. So isoliere ich etwa die Trillerpfeifen als Klänge und entledige sie ihrer ursprünglich hierarchischen Macht und Manipulationsfähigkeit. Und genau darin liegt für mich auch das Potenzial der Komik, dass sie Hierarchien zerbricht, zugunsten ganz kleiner subkutaner Anarchien. Ich mag die große Geste nicht, sie ist immer systembestätigend. In dieser Hinsicht hat für mich auch das ganze Komponieren etwas Politisches: ich setze mich mit Klangmaterial auseinander, um die Manipulation auszutreiben.“
Sehr lustig. Ums Austreiben, Freilegen, Isolieren geht es auch bei einem weiteren Trabanten von „Comic Sense“, der soeben als „Anthologie in der Schachtel“ in der kleinen Autorinnen-Edition ch erschienen ist. „® comic sense“ ist eine kollektiv erarbeitete Ansammlung von Paradoxien, Persiflierungen und Comics-Zitaten auf „Comic Sans“-Plakaten, einer „Comix-Fake“-CD, auf der Clemens Gadenstätter die dritte Staffel seines Stück selbst singend reinterpretiert, Postkarten mit „Comic Sentences“ von Lisa Spalt und einem Heft mit einer literarischen Replik des Komponisten auf sein eigenes Stück. Zitate aus Tönen, Texten, Bildern von High bis Low gehen hier eine köstliche Synthese ein.
Wenn einer den „Comic Sense“ zuerst mit den Mitteln der E-Musik reflektiert, dann aber auch noch zum Gegenstand weiterführender künstlerischer Überlegungen macht, drängt sich die Frage auf, ob die E-Musik vielleicht zu ernst ist? Gadenstätter, ohne zu zögern: „Ja, aber man kann es ihr nicht vorwerfen. Speziell das Feld der Neuen Musik hat sich in den letzten Jahrzehnten einen institutionellen Repräsentationsraum entworfen, der oft sehr verlogen ist. Da wird von jungen KomponistInnen Ergriffenheit vorgespiegelt und, bloß um nicht anzuecken, im Stil des mittleren Alban Berg komponiert. Ich wollte es anders machen und die musikalischen Zusammenhänge gegen den Strich bürsten. Da ist mir die Komik gerade recht gekommen.“
|